Die (Un-)Denkbarkeit des Kommunismus

Reflexionen zum Seminar der Hellen Panke vom 25/26.März 2011

 

Von Roger Behrens vorgetragen  und im Seminar rege diskutiert wurden 30 Thesen zum Kommunismus.( http://www.streifzuege.org/2010/kommunismus-dreissig-thesen). Ausgehend von den von Karl Marx geäußerten Vorstellungen zum Kommunismus wurde festgehalten, dass es bisher Kommunismus als gesellschaftlichen Zustand in der Welt noch nirgends gegeben hat. Wesentlicher Kern der Thesen ist die Beschreibung des Kommunismus nicht als einen zu erreichenden Zustand der Gesellschaft , sondern als eine gesellschaftliche Bewegung, die den Kapitalismus und seine ersichtlichen Mängel letztendlich überwindet, ohne dass ein positives Bild über den zu erreichenden Zustand fixiert werden kann. Das schließt die Erkenntnis ein, dass die Beseitigung aller Widersprüche in der Realität nicht möglich sein wird und die Widersprüche der Realität sich auch in den Widersprüchen unserer Vorstellungen widerspiegeln müssen.

Die Diskussion im Seminar wurde im wesentlichen getragen von Ausführungen von Ulrich Weiß und Stefan Meretz.  Ulrich Weiß stimmte vielen Aussagen in den Thesen von Roger Behrens zu , bemerkte aber als wesentlichen Mangel, dass die Thesen zwar richtig Kommunismus als die wirkliche Bewegung zur Veränderung der Gesellschaft definieren, dies aber zu abstrakt-allgemein erfolgt und so eine wirkliche Verbindung der Thesen mit der praktischen gesellschaftlichen Bewegung fehlt. Insbesondere führte er aus, dass die wirkliche kommunistische Bewegung nicht auskommt ohne die Antizipation  von Bildern des Kommunismus, auch wenn diese durch die Bewegung selbst immer wieder korrigiert werden müssen. In Übereinstimmung mit Behrens ging Weiß davon aus, dass es nicht nur das Proletariat sein kann, dem von der Geschichte eine Mission zur Überwindung des Kapitalismus zugewiesen ist. Dies sei eine eher spekulative logische Konstruktion des jüngeren Marx gewesen, die dieser nach der Ausarbeitung der Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitals nicht wissenschaftlich untermauern konnte und deshalb hätte korrigieren müssen.

Welche Kräfte sind es dann aber, die potentiell die kommunistische Bewegung zur Überwindung des Kapitalismus vorantreiben? Diese Frage beantwortete Stefan Meretz dahingehend, dass es im Grunde die gleichen Kräfte sind, die auch in der biologischen Evolution die Entstehung von Neuem aus dem Alten bewirken. In 5 Schritten bildet sich  zuerst eine Keimform des Neuen, die zunächst das Alte bei der Überwindung einer Krise unterstützt und deshalb von diesem gefördert wird. Obwohl funktional noch für das Alte wirksam, ist das Neue jedoch inkompatibel  zur alten Logik, weshalb sich ein Funktionswechsel anbahnt und eine zweite Funktion für die Vorbereitung des Neuen wirksam wird. Sobald die neue Funktion gegenüber der alten dominierend wird, kommt es zur Umstrukturierung und die alte Logik wird außer Kraft gesetzt. Dies erläuterte Meretz am Beispiel Freier Software: Mit ihrer Lohn-Auftragsarbeit unzufriedene Programmentwickler beginnen Freie Software zu entwickeln, die ihnen nützlich erscheint. Computerhersteller erkennen, dass ihnen diese Software Vorteile im Konkurrenzkampf gegenüber   Microsoft bieten könnte und unterstützen deshalb diese Sortwareentwickler. Im Endeffekt verliert Freie Software ihren Warencharakter und wird auf „kommunistische“ Art frei verteilt. Wenn diese Art der Verteilung dominierend wird, verliert auch die in Lohnarbeit hergestellte Software ihren Wert als Ware und kann nicht mehr verkauft werden. In dieser Art sieht Meretz einen der möglichen Wege zur Überwindung des Kapitalismus, der gleichzeitig zur Befreiung von der Lohnarbeit und ihrer Entfremdungswirkung führt.

 

Fazit: Kommunismus kann nicht von einer politischen Partei per Revolution oder Gesetzgebung „eingeführt“ werden, sondern entwickelt sich durch Selbstorganisation aus den Unerträglichkeiten des gesellschaftlichen Systems.

 

28.3.2011

Bertram Köhler