Von
Roger Behrens vorgetragen und im Seminar rege diskutiert wurden 30
Thesen zum Kommunismus.(
http://www.streifzuege.org/2010/kommunismus-dreissig-thesen).
Ausgehend von
den von Karl Marx geäußerten Vorstellungen zum Kommunismus wurde festgehalten,
dass es bisher Kommunismus als gesellschaftlichen Zustand in der Welt noch
nirgends gegeben hat. Wesentlicher Kern der Thesen ist die Beschreibung des
Kommunismus nicht als einen zu erreichenden Zustand der Gesellschaft , sondern
als eine gesellschaftliche Bewegung, die den Kapitalismus und seine
ersichtlichen Mängel letztendlich überwindet, ohne dass ein positives Bild über
den zu erreichenden Zustand fixiert werden kann. Das schließt die Erkenntnis
ein, dass die Beseitigung aller Widersprüche in der Realität nicht möglich sein
wird und die Widersprüche der Realität sich auch in den Widersprüchen unserer
Vorstellungen widerspiegeln müssen.
Die Diskussion im Seminar wurde im wesentlichen
getragen von Ausführungen von Ulrich Weiß und Stefan Meretz. Ulrich Weiß stimmte vielen Aussagen in den
Thesen von Roger Behrens zu , bemerkte aber als wesentlichen Mangel, dass die
Thesen zwar richtig Kommunismus als die wirkliche Bewegung zur Veränderung der
Gesellschaft definieren, dies aber zu abstrakt-allgemein erfolgt und so eine
wirkliche Verbindung der Thesen mit der praktischen gesellschaftlichen Bewegung
fehlt. Insbesondere führte er aus, dass die wirkliche kommunistische Bewegung
nicht auskommt ohne die Antizipation
von Bildern des Kommunismus, auch wenn diese durch die Bewegung selbst
immer wieder korrigiert werden müssen. In Übereinstimmung mit Behrens ging Weiß
davon aus, dass es nicht nur das Proletariat sein kann, dem von der Geschichte
eine Mission zur Überwindung des Kapitalismus zugewiesen ist. Dies sei eine
eher spekulative logische Konstruktion des jüngeren Marx gewesen, die dieser
nach der Ausarbeitung der Kritik der Politischen Ökonomie des Kapitals nicht
wissenschaftlich untermauern konnte und deshalb hätte korrigieren müssen.
Welche Kräfte sind es dann aber, die potentiell die
kommunistische Bewegung zur Überwindung des Kapitalismus vorantreiben? Diese
Frage beantwortete Stefan Meretz dahingehend, dass es im Grunde die gleichen
Kräfte sind, die auch in der biologischen Evolution die Entstehung von Neuem
aus dem Alten bewirken. In 5 Schritten bildet sich zuerst eine Keimform des Neuen, die zunächst das Alte bei der
Überwindung einer Krise unterstützt und deshalb von diesem gefördert wird.
Obwohl funktional noch für das Alte wirksam, ist das Neue jedoch
inkompatibel zur alten Logik, weshalb
sich ein Funktionswechsel anbahnt und eine zweite Funktion für die Vorbereitung
des Neuen wirksam wird. Sobald die neue Funktion gegenüber der alten
dominierend wird, kommt es zur Umstrukturierung und die alte Logik wird außer
Kraft gesetzt. Dies erläuterte Meretz am Beispiel Freier Software: Mit ihrer
Lohn-Auftragsarbeit unzufriedene Programmentwickler beginnen Freie Software zu
entwickeln, die ihnen nützlich erscheint. Computerhersteller erkennen, dass
ihnen diese Software Vorteile im Konkurrenzkampf gegenüber Microsoft bieten könnte und unterstützen
deshalb diese Sortwareentwickler. Im Endeffekt verliert Freie Software ihren
Warencharakter und wird auf „kommunistische“ Art frei verteilt. Wenn diese Art
der Verteilung dominierend wird, verliert auch die in Lohnarbeit hergestellte
Software ihren Wert als Ware und kann nicht mehr verkauft werden. In dieser Art
sieht Meretz einen der möglichen Wege zur Überwindung des Kapitalismus, der
gleichzeitig zur Befreiung von der Lohnarbeit und ihrer Entfremdungswirkung
führt.
Fazit: Kommunismus kann nicht von einer politischen
Partei per Revolution oder Gesetzgebung „eingeführt“ werden, sondern entwickelt
sich durch Selbstorganisation aus den Unerträglichkeiten des gesellschaftlichen
Systems.
28.3.2011
Bertram Köhler