Kunst und Evolution

Welche Rolle spielt Kunst im Evolutionsprozess?

Zu dieser Frage gibt es relativ wenig Aussagen in der evolutionstheoretischen Literatur. Kürzlich hat jedoch der Filmregisseur Janosch Orlowsky begonnen, im Internet eine Artikelserie zu veröffentlichen, in der er die Hintergründe unterschiedlicher  Publikumswirksamkeit  von Filmen analysiert, um deren Ursachen  zu finden und in Regularien zusammenzustellen. Seine Schlussfolgerung: "Dramaturgie ist konsequente Anwendung von evolutionstheoretischen Erkenntnissen" bietet gleichzeitig einen Zugang zum Verständnis der Rolle und Bedeutung von Kunst im Evolutionsprozess und gestattet es, diese in letzteren einzuordnen. Dabei sind drei Aspekte zu betrachten:

Das Bewusstsein des Menschen gestattet es, die Gesamtheit der Erfahrungen aus seinem bisherigen Leben in seinem Weltbild zu bündeln, um damit eine Entscheidung zwischen den Möglichkeiten des gegenwärtigen Augenblicks zu treffen, die hilft, sein künftiges Leben optimaler  zu gestalten. Ein Kunstwerk, speziell ein Film, erfüllt dann einen evolutionären Zweck, wenn er hilft das Bewusstsein des Rezipienten um eine Erfahrung zu bereichern, die für die gerade bei ihm anstehenden Entscheidungen wesentlich ist. Dazu ist es notwendig, die Aufmerksamkeit auf das anstehende Thema zu konzentrieren, damit die neue Erfahrung das Gewohnte aus dem Bewusstsein verdrängen kann. Orlowsky beschreibt im Detail die hierzu erforderlichen Schritte und den dazu notwendigen dramaturgischen Aufbau eines Filmes und versucht damit der Verantwortung des Künstlers zur Beeinflussung der weiteren Evolution der Menschheit nachzukommen.

Es gibt jedoch auch Kunstveranstaltungen, die diesen Ansprüchen nicht genügen. Diese beziehen ihre Publikumswirksamkeit aus der gegenwärtig zu beobachtenden enormen Beschleunigung der Evolution, der die Menschen nicht gewachsen sind und der sie zu entfliehen versuchen. (siehe z.B. hier)

Die Wirkung der Kunst in der kulturellen Evolution ist im Prinzip die gleiche wie die der Wissenschaft: Sie vermittelt Erkenntnisse, die der Erweiterung des Bewusstseins dienen. Dazu bedient sie sich jedoch nicht logisch-rationaler Aufklärung, sondern versucht emotionale Mittel, wie Angst und Neugier, einzusetzen, um die Hemmschwelle von gewohnter Handlung zur Unsicherheit des Ungewohnten zu überwinden oder eben nur um von dieser Entscheidung abzulenken.

Die Ursachen für die Entstehung, Verbreitung und Entwicklung von Kunst sind im Grunde die gleichen wie für jedwede Evolution. Künstler wollen durch die Verbreitung ihrer Arbeiten zu Anerkennung und Bedeutung gelangen, wie dies auch bei Wissenschaftlern der Fall ist. Dabei spielt der Zufall und die Neuartigkeit ihrer Ideen eine große Rolle, die in ihrer Vielfalt den Einschränkungen der Wissenschaft jedoch nicht unterliegen, was eben auch dazu führt, dass Kunstwerke ihren Zweck nicht erfüllen und Kunstrichtungen entstehen, die schnell wieder in der Bedeutungslosigkeit verschwinden. Solche Erscheinungen gibt es auch in der Wissenschaft. (siehe z.B. hier)